Was ist Kultur noch wert (oder warum nicht gleich viel)?
Wie man auf Twitter lesen konnte war ich vor kurzem in Bremen und habe dort das Musicaltheater und konkret das Stück “Marie Antoinette” besucht. Da ich generell musikalisch nicht festgelegt bin, sondern einfach mag was mir gefällt und sich gut anhört und noch dazu geschichtlich schon immer interessiert war gefiel es mir sogar recht gut. Nachdem nun die letzte Vorstellung in Bremen über die Bühne ging ist dort das Gejammer groß, denn es wurde Verlust gemacht.
Bei dem Stück handelt es sich um die Europapremiere einer Großproduktion in Dimensionen- wie Phantom der Oper o.ä.. Das Stück lief ca. 5 Monate seit Januar diesen Jahres und es konnten anstatt der veranschlagten 120.000 “nur” 90.000 Karten abgesetzt werden. Insgesamt spricht man nun, auch wegen unplanmäßiger Verteuerung des Bühnenbildes, von €1,5 Millionen die als Verlust hängen bleiben. Das Theater hat nun städtische Hilfen beantragt die es wohl auch bekommen wird, aber der Tenor spricht von einer grandiosen Pleite und das man nie wieder solche Experimente wagen dürfe etc..
Für mich ist das alles ein wenig unverständlich. Klar hört sich so ein Betrag erstmal verdammt viel an, aber man sollte dabei verschiedene Dinge bedenken. Zum einen hat Bremen in diesem Metier keinen Namen. Beschäftigt man sich mit Musical denkt man schnell an Hamburg oder Bochum, aber nicht an Bremen. An Werbung war zumindest hier bei uns so gut wie nichts davon mitzukriegen. Auch der örtliche Busunternehmer hatte das Stück nicht auf dem Radar. Von daher hat man vielleicht auch zu viel erwartet und bräuchte einen längeren Atem um erstmal eine gewisse Bekanntheit als Standort zu erreichen.
Das was mir aber definitiv am unverständlichsten ist ist eigentlich die Tatsache das es in Bereichen wie der Oper gar kein Thema ist solche Gelder auszugeben. Ein Opernstück wird mit bis zu 80% pro Ticket als Kulturförderung bezuschusst – weswegen Opernkarten auch teilweise günstiger als Musicalkarten sind – und da ist die Auslastung der Theater im Normalfall noch wesentlich geringer. Wieso ist Oper also eine stark förderungswürdige Kultureinrichtung, aber ein Musical muss riesige Gewinne abschmeißen ohne öffentliche Gelder zu bekommen? Ist es nicht nur recht den zahlenmäßig überlegenen Musicalbesuchern die gleichen Zuschüsse zu billigen wie den Opern Besuchern? Rechnet man das Defizit mal auf so könnte man sagen das bei 90.000 Besuchern jeder Besucher nun im Nachhinein, durch die städtische Hilfe, mit nicht mal €20,– bezuschusst wird. Ist das wirklich das gerade stattfindende Drama wert? Sollte die Erhaltung von populärer Kultur nichtmal €20,- Zuschuss wert sein? Nimmt man sich die Stadt Wien mal als Vorbild wird dort gerade bei 2 Theatern von durchschnittlich mehr als €30,- Zuschuss pro verkaufter Karte gesprochen und trotzdem macht man dort so weiter.
Durchsucht man das Internet ein wenig nach Musicalfans so ergibt sich auch schnell ein Bild das durchaus auch Menschen aus Süddeutschland oder dem Rheinland nach Bremen gereist sind um sich das Stück anzusehen. Diese fuhren auch häufig mit der Bahn und haben durch die lange An- und Abreise in Bremer Hotels übernachtet, in Bremen gegessen, getrunken und anderweitig Geld ausgegeben. Ohne nun zu wissen wie viele Besucher dann wirklich aus Bremen kamen bleibt aber festzuhalten das es auch zu einem gewissen Tourismus geführt hat der seine €20,- Förderung in Bremen refinanziert hat.
Deutsche Städte geben auch an anderen Fronten ohne mit der Wimper zu zucken viel Geld aus und hier wird nun so ein Geschrei gemacht. Ich erinnere mich das ich bei der Anfahrt zum Theater einen Umweg fahren musste da die ganze Innenstadt abgesperrt war weil Werder Bremen wohl DFB Pokalsieger wurde. Überall stand Polizei und Straßensperren. Was hat das die Stadt wohl gekostet? Wieso wird hier nicht geschrien das sowas aber nie wieder passieren darf? Für mich wird hier völlig unverständlich mit zweierlei Maß gemessen und inzwischen gibt es sogar Meldungen in der Presse das der zuständige Intendant nur deshalb nicht sofort entlassen würde da mand ann auch noch die Abfindung zu zahlen hätte.
Im übrigen wird bei den Machern sowie dem Intendanten des Stückes der künstlerische Wert als sehr hoch angesehen und auch in der Presse wurde es durchaus gelobt. Was untermauert das hier tatsächlich einmal Qualität geboten wurde.